Im Sternzeichen von Forsa - splitternackt.

Am 16. Juli 2003 wurden vom stern Umfrageergebnisse von Forsa zur Sonntagsfrage veröffentlicht. Aus Kosten- und Zeitgründen kann nur ein winziger Bruchteil aller 60 Millionen Wahlberechtigten befragt werden. Forsa hat vom 7. bis 11. Juli 2505 Wahlberechtigten befragt, deren Telefonnummern ausgelost wurden. Das Umfrageergebnis lautet

Union 45%, SPD 32%, Grüne 11%, FDP 6%, PDS 3%

Offensichtlich ist es nicht repräsentativ für alle Wahlberechtigten, denn es hängt es davon ab, welche 2505 Wahlberechtigten ausgelost wurden. Verschiedene Auslosungen führen zu verschiedenen Ergebnissen. Für jede Partei gibt es deshalb nicht eine Prozentzahl, sondern ein ganzes Band von möglichen Prozentzahlen. Welche Prozentzahl die richtige ist, läßt sich nicht feststellen. Für die Beurteilung des Informationswertes einer Umfrage ist es daher unerläßlich, diese Bandbreite für jede Partei zu kennen. Die Bandbreiten lassen sich mit Hilfe einer Computersimulation einer großen Anzahl von Auslosungen ermitteln: Für große Parteien beträgt die Bandbreite 6%, für kleinen 3%. Das Umfrageergebnis lautet dann nicht, wie im stern verkündet, sondern

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
42 - 48 29 - 35 9,5 - 12,5 4,5 - 7,5 1,5 - 4,5

(Berechnungsgrundlage: 2505 Befragte, Wahlbeteiligung 80%, Sicherheitswahrscheinlichkeit 95%. Die weit größeren Fehlerquellen - wie z.B. falsche Angaben, Antwortverweigerung, erfolglose Kontaktversuche usw. - sind dabei nicht berücksichtigt.)

Fazit. Das wahre Umfrageresultat hat keinen Informationswert, denn es läßt alles offen. Die SPD liegt zwar weit abgeschlagen hinter der Union zurück. Aber das Umfrageergebnis läßt die Möglichkeit offen, daß FDP und PDS an der 5%-Hürde scheitern und Rotgrün stärker ist als die Union.

Im stern werden neuerdings "Lotterieschäden" zugegeben und dafür eine Fehlertoleranz von +/-2,5% bei 2505 Befragten eingeräumt. Das Eingeständnis, daß die tatsächlichen Parteistärken um plus oder minus 2,5% vom Umfrageergebnis abweichen können, hat zur Folge, daß die Umfrageergebnisse im stern nach Adam Riese wie folgt veröffentlicht werden müßten

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
42,5 - 47,5 29,5 - 34,5 8,5 - 13,5 3,5 - 8,5 0,5 - 5,5

Damit können stern&Forsa alle Parteien wunschlos glücklich machen, denn ein solches Umfrageergebnis läßt sich biegen bis zum Geht-nicht-mehr. Alle Parteien können sich nach Herzenslust daran bedienen. Ein genüßliches Beispiel:

1. Die Union schöpft bekanntlich gerne aus dem Vollen und beglückt sich mit 47,5% am "Umfrageergebnis von 42,5% bis 47,5%", was ihr die absolute Mehrheit beschert. Denn die FDP versenkt sie vorsorglich mit 3,5% unter der 5%-Hürde und ebenso die PDS mit 3,5%. Den Rest (45,5%) überläßt sie den grauen Panthern und den "hellroten" Socken - Grüne und SPD - zur freien Ausmarchung.

2. SPD und Grüne picken sich die Rosinen aus dem ZDF-Politbarometer-Kuchen etwas anders heraus: Sie bedienen sich mit 34,5% bzw. 13,5% und ergattern damit eine Regierungsmehrheit von 48%, was für die Fortsetzung ihrer Wackelkontakte ausreicht. Denn FDP und PDS werden mit je 3,5% unter der 5%-Hürde versenkt, und die Union wird mit 42,5% unter dem Deckel gehalten. Der Rest wird den grauen Panthern zum Verhungern hingeworfen.

3. Ist die FDP an der Reihe, dann verköstigt sie sich mit satten 8,5% am "Umfrageergebnis von 3,5% - 8,5%", wie das in einer freien Marktwirtschaft üblich ist. Die Union wird mit 42,5% abgespiesen und damit am Gängelband gehalten. Den Rest (49%) überläßt die FDP den Nachfolge-Organisationen der Internationalen wie PDS, SPD und Grünen zur freien Ausmarchung. Damit hat die FDP auch die Forderung in ihrem Parteiprogramm nach mehr Eigenverantwortung restlos erfüllt.

4. Auch die PDS kann in der ZDF-Politbarometer-Republik ihre kühnsten Träume in Erfüllung bringen: Sie verschafft sich mit 5,5% nicht nur den Wiedereinzug in den Bundestag, sondern versenkt als erstes die FDP mit 3,5% unter der 5%-Hürde. Dann verhilft sie der Union mit 42,5% zur Impotenz, während SPD und Grüne zusammen mit 42% in Schach gehalten werden (z.B. mit 32% und 10%), was zu einer Pattsituation zwischen Union und Rotgrün führt. Weil die Union mit Stoiber selbst mit Viagra nicht in ein Bett zu kriegen ist, in welchem die PDS mit Gabi Zimmer buhlt, findet sich Rotgrün unvermittelt am Gängelband der PDS. Damit geht ohne PDS nichts mehr in der Republik.

Als Lachnummer wunderbar, aber als Umfrageresultat ungenießbar. Offenbar gehen stern & Forsa davon aus, daß ihre Kunden an Rechenschwäche leiden und nicht in der Lage sind, die nackten Umfrageresultate mit der eingestandenen Fehlertoleranz von plus/minus 2,5 % zu relativieren und diese damit ad absurdum zu führen.


Technische Information:

Die in der gelben Tabelle angegeben Fehler, die durch die Zufallsauswahl der befragten Wahlberechtigten verursacht werden, kann man auch als Laie mit Hilfe der Mißerfolgs-Statistik von Umfragen verifizieren. Man gibt in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die von Forsa angeführten Parteistärken

CDU/CSU 45, SPD 32, FDP 6, Grüne 11 und PDS 3 Prozent

ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 2505 an - soviele Wahlberechtigte wurden befragt - und setzt für die Wahlbeteiligung die üblichen 80% ein. Für die Anzahl der Umfragen (Auslosungen) wähle man zunächst 1000 - bei größeren Zahlen kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit "LOS" wird die Simulation gestartet. In der untersten Tabellenzeile der "Mißerfolgsstatistik" kann man das Resultat der Simulation ablesen. Es zeigt sich, daß etwa

19% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 1% für die großen Parteien und +/- 0,5% für die kleinen einhalten

74% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 2% für die großen Parteien und +/- 1% für die kleinen n einhalten

95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für die großen Parteien und +/- 1,5% für die kleinen einhalten

Genauere Resultate kann man der untern angeführten Tabelle entnehmen. Man sieht, daß knapp 95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für große Parteien und +/- 1,5% für kleinen einzuhalten vermögen. Aber 5% der Umfragen (Auslosungen) schaffen nicht einmal das. Mit andern Worten, in jeder zwanzigsten Umfrage (Auslosung) übersteigt der Fehler für eine große Partei +/- 3% oder für eine kleine Partei +/- 1,5%

Scherzfrage: Wie viele von 100 Umfragen schaffen es, die von Forsa vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 45, SPD 32, FDP 6, Grüne 11 und PDS 3 Prozent) zu treffen?

Scherzfrage: Wie viele von 10000 Umfragen schaffen es, die von Forsa vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 45, SPD 32, FDP 6, Grüne 11 und PDS 3 Prozent) zu treffen?

Maximale Abweichung
eingehalten von
für große Parteien für kleine Parteien (in Prozent von 100000 Umfragen)
1,0% 0,5% 13%
1,2% 0,6% 21%
1,4% 0,7% 31%
1,6% 0,8% 42%
1,8% 0,9% 53%
2,0% 1,0% 63%
2,2% 1,1% 72%
2,4% 1,2% 79%
2,6% 1,3% 85%
2,8% 1,4% 89%
3,0% 1,5% 92%
3,2% 1,6% 95%
3,4% 1,7% 96%
3,6% 1,8% 98%
3,8% 1,9% 98,4%
4,0% 2,0% 98,9%
>4,0% >2,0% 1,1%
Grundlage der Simulation: 100000 Wiederholungen, Parteistärken laut Forsa, ebenso Stichprobenumfang (2505) und Wahlbeteiligung (80%).