Im Sternzeichen von Forsa - splitternackt.

Am 20. August 2003 wurden vom stern Umfrageergebnisse von Forsa zur Sonntagsfrage veröffentlicht. Aus Kosten- und Zeitgründen kann nur ein winziger Bruchteil aller 60 Millionen Wahlberechtigten befragt werden. Forsa hat vom 11. bis 15. August 2507 Wahlberechtigten befragt, deren Telefonnummern ausgelost wurden. Das Umfrageergebnis lautet

Union 43%, SPD 30%, Grüne 11%, FDP 8%, PDS 4%

Offensichtlich ist es nicht repräsentativ für alle Wahlberechtigten, denn es hängt es davon ab, welche 2507 Wahlberechtigten ausgelost wurden. Verschiedene Auslosungen führen zu verschiedenen Ergebnissen. Für jede Partei gibt es deshalb nicht eine Prozentzahl, sondern ein ganzes Band von möglichen Prozentzahlen. Welche Prozentzahl die richtige ist, läßt sich nicht feststellen. Für die Beurteilung des Informationswertes einer Umfrage ist es daher unerläßlich, diese Bandbreite für jede Partei zu kennen. Die Bandbreiten lassen sich mit Hilfe einer Computersimulation einer großen Anzahl von Auslosungen ermitteln: Für große Parteien beträgt die Bandbreite 6%, für kleinen 3%. Das Umfrageergebnis lautet dann nicht, wie im stern verkündet, sondern

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
40 - 46 27 - 33 9,5- 12,5 6,5 - 9,5 2,5 - 5,5

(Berechnungsgrundlage: 2507 Befragte, Wahlbeteiligung 80%, Sicherheitswahrscheinlichkeit 95%. Die weit größeren Fehlerquellen - wie z.B. falsche Angaben, Antwortverweigerung, erfolglose Kontaktversuche usw. - sind dabei nicht berücksichtigt.)

Fazit. Das wahre Umfrageresultat hat wenig Informationswert, denn es läßt vieles offen. Die SPD liegt zwar weit abgeschlagen hinter der Union zurück. Aber das Umfrageergebnis läßt die Möglichkeit offen, daß eine Koalition aus CDU/CSU und FDP lediglich einen Prozentpunkt (46,5%) mehr als Rotgrün (45,5%) erreicht und daß die PDS mit 5,5% zum Zünglein an der Waage wird. Dann müßte Schröder Farbe bekennen, ob er sich lieber rote Rocken überzieht um Medienkanzler zu bleiben oder ob er in einer großen Koalition als Hilfskanzler in die dritte Liga absteigt.

 

Im stern werden neuerdings "Lotterieschäden" zugegeben und dafür eine Fehlertoleranz von +/-2,5% bei 2507 Befragten eingeräumt. Das Eingeständnis, daß die tatsächlichen Parteistärken um plus oder minus 2,5% vom Umfrageergebnis abweichen können, hat zur Folge, daß die Umfrageergebnisse im stern nach Adam Riese wie folgt veröffentlicht werden müßten

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
40,5 - 45,5 27,5 - 32,5 8,5 - 13,5 5,5 - 10,5 1,5 - 6,5

Damit können stern&Forsa alle Parteien wunschlos glücklich machen, denn ein solches Umfrageergebnis läßt sich biegen bis zum Geht-nicht-mehr. Alle Parteien können sich nach Herzenslust daran bedienen. Ein genüßliches Beispiel:

1. Die Union schöpft bekanntlich gerne aus dem Vollen und bedient sich mit 45,5% am Umfrageergebnis von 40,5% bis 45,5%. Weil für die Mehrheit nicht, wird als erstes die PDS unter der 5%-Hürde versenkt und die FDP als Mehrheitsbeschaffer genutzt, aber mit 5,5% am Gängelband gehalten. Der Rest ist irrelevant und wird den grauen Panthern und den "hellroten" Socken - Grüne und SPD - zur freien Ausmachung überlassen.

2. SPD und Grüne picken sich die Rosinen aus dem Stern-Forsa-Kuchen etwas anders heraus: Sie bedienen sich mit 32,5% bzw. 13,5% und ergattern damit eine "Regierungsmehrheit" von 46%, was für die Fortsetzung ihrer Wackelkontakte gerade ausreichen dürfte. Denn die Union wird mit 40,5% unter dem Deckel gehalten und die FDP entgeht mit 5,5% nur knapp dem 5%-Fallbein, während die PDS ihm zum Opfer fällt. Wegen den traditionellen SPD-Überhangmandaten haben Union und FDP trotz der numerischen Pattsituation das Nachsehen. Der Rest wird den grauen Panthern zum Bekämpfen der Rentenreform hingworfen.

3. Ist die FDP an der Reihe, dann verköstigt sie sich mit satten 10,5% am "Umfrageergebnis von 5,5% - 10,5%", wie das in einer freien Marktwirtschaft nun einmal üblich ist. Die Union wird mit 40,5% abgespiesen und damit am Gängelband gehalten. Den Rest (49%) überläßt die FDP den Nachfolge-Organisationen der Internationalen wie PDS, SPD und Grünen zur freien Ausmachung. Damit hat die FDP zudem die Forderung ihres Parteiprogrammes nach mehr Eigenverantwortung restlos erfüllt.

4. Auch die PDS kann in der Stern-Republik ihre kühnsten Träume in Erfüllung bringen: Sie verschafft sich mit 6,5% nicht nur den Wiedereinzug in den Bundestag, sondern läßt die FDP 5,5% weit hinter sich. Dann verhilft sie der Union mit 40,5% zur Impotenz, während SPD und Grüne zusammen mit 46% in Schach gehalten werden (z.B. mit 32,5% und 13,5%), was zu einer Pattsituation zwischen Union und Rotgrün führt. Weil die Union mit Stoiber selbst mit Viagra nicht in ein Bett zu kriegen ist, in welchem die PDS mit Gabi Zimmer buhlt, findet sich Rotgrün unvermittelt am Gängelband der PDS. Damit geht ohne PDS nichts mehr in der Republik.

Als Lachnummer wunderbar, aber als Umfrageresultat ungenießbar. Offenbar gehen stern & Forsa davon aus, daß ihre Kunden an Rechenschwäche leiden und nicht in der Lage sind, die nackten Umfrageresultate mit der eingestandenen Fehlertoleranz von plus/minus 2,5 % zu relativieren und damit ad absurdum zu führen.


Technische Information:

Die in der gelben Tabelle angegeben Fehler, die durch die Zufallsauswahl der befragten Wahlberechtigten verursacht werden, kann man auch als Laie mit Hilfe der Mißerfolgs-Statistik von Umfragen verifizieren. Man gibt in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die von Forsa angeführten Parteistärken

CDU/CSU 43, SPD 30, FDP 8, Grüne 11 und PDS 4 Prozent

ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 2507 an - soviele Wahlberechtigte wurden befragt - und setzt für die Wahlbeteiligung die üblichen 80% ein. Für die Anzahl der Umfragen (Auslosungen) wähle man zunächst 1000 - bei größeren Zahlen kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit "LOS" wird die Simulation gestartet. In der untersten Tabellenzeile der "Mißerfolgsstatistik" kann man das Resultat der Simulation ablesen. Es zeigt sich, daß etwa

17% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 1% für die großen Parteien und +/- 0,5% für die kleinen einhalten

72% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 2% für die großen Parteien und +/- 1% für die kleinen n einhalten

95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für die großen Parteien und +/- 1,5% für die kleinen einhalten

Genauere Resultate kann man der untern angeführten Tabelle entnehmen. Man sieht, daß gut 95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für große Parteien und +/- 1,5% für kleinen einzuhalten vermögen. Aber fast 5% der Umfragen (Auslosungen) schaffen nicht einmal das. Mit andern Worten, in jeder zwanzigsten Umfrage (Auslosung) übersteigt der Fehler für eine große Partei +/- 3% oder für eine kleine Partei +/- 1,5%

Scherzfrage: Wie viele von 100 Umfragen schaffen es, die von Forsa vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 43, SPD 30, FDP 8, Grüne 11 und PDS 4 Prozent) zu treffen?

Scherzfrage: Wie viele von 10000 Umfragen schaffen es, die von Forsa vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 43, SPD 30, FDP 8, Grüne 11 und PDS 4 Prozent) zu treffen?

Maximale Abweichung
eingehalten von
für große Parteien für kleine Parteien (in Prozent von 100000 Umfragen)
1,0% 0,5% 17%
1,2% 0,6% 28%
1,4% 0,7% 40%
1,6% 0,8% 52%
1,8% 0,9% 62%
2,0% 1,0% 72%
2,2% 1,1% 80%
2,4% 1,2% 86%
2,6% 1,3% 90%
2,8% 1,4% 93%
3,0% 1,5% 95%
3,2% 1,6% 97%
3,4% 1,7% 98%
3,6% 1,8% 99%
>3,6% >1,8% 1%
Grundlage der Simulation: 100000 Wiederholungen, Parteistärken laut Forsa, ebenso Stichprobenumfang (2507) und Wahlbeteiligung (80%).