Drei Tage vor der Bundestagswahl 2005 wurden vom stern Umfrageergebnisse von
Forsa veröffentlicht. Aus Kosten- und Zeitgründen kann nur ein winziger
Bruchteil der über 60 Millionen Wahlberechtigten befragt werden. Forsa
hatte in der Woche nach dem Fernsehduell zwischen Schröder und Merkel jeden
Tag etwa 500 Wahlberechtigten befragt, insgesamt wurden 2504 "repräsentativ
ausgesuchte" Bundesbürger interviewt. Das Umfrageergebnis in der üblichen
stern-Schablone:
Wer sich das Kleingedruckte unter der Grafik zu Gemüte führt und
sattelfest im Prozentrechen ist, müsste Schluckauf bekommen, wenn
ihm offenbart wird:
Fehlertoleranz: +/- 2,5 Prozentpunkte.
Fehlertoleranz bedeutet nämlich auf Plattdeutsch und Hochsauerländisch,
dass die Umfrage nicht sonderlich repräsentativ war. Seit Adam Riese heißt
plus/minus 2,5 Prozentpunkte:
- Die SPD kam gar nicht auf 35%, sondern auf irgendwo von 32,5% bis 37,5%.
Händeringend rudert also der große Vorsitzende Müntefering
zwischen diesen Zahlen hin und her. Auch der arme Schröder wird langsam
schizophren. Ist er nun weg vom Fenster und die SPD in der Opposition
oder führt er die Agenda weiter bis 2010?
- Auch Angie reibt sich die Äuglein wund: Was wird ihr die Offenbarung
39,5% bis 44,5% wohl bescheren? Ist sie nun weg vom Fenster und sägen
die Kurfürsten von CDU/CSU bereits an ihrem Stuhl oder darf sie Maggie
Thatcher in Deutschland spielen? Ihre Deutsche Leitkultur hilft
ihr da nicht weiter.
- Selbst die Grünen sind total verwirrt. Sie kamen ja nicht auf 7%, sondern
auf irgendwo zwischen 4,5% und 9,5%. Tragen sie nun das 5%-Kreuz auf dem Rücken
oder können sie ausrufen: Hosianna 9,5% - exklusive Dosenpfand!
- Die FDP träumte von mehr als 6%. Nun wird sie auch ohne Möllemann
wieder manisch depressiv. Mit 3,5% bis 8,5 % liegt alles drin - von himmelhoch
jauchzend bis zu Tode betrübt.
- Auch Gysi weiß nicht recht, ob er lachen oder weinen soll: Mit
4,5% wäre er den Konkurrenten Lafontaine wieder los, aber mit 9,5% müsste
er die zweite Geige spielen.
Man kann es dem stern sichtlich nachfühlen, wenn er die Umfrageergebnisse
nicht in der Form
CDU/CSU |
SPD |
Bündnis 90/Grüne |
FDP |
neue alte Linke |
39,5 - 44,5 |
32,5 - 37,5 |
4,5 - 9,5 |
3,5 - 8,5 |
4,5 - 9,5 |
präsentieren will, sondern darauf baut, dass stern-Gucker naturgemäß
zu Rechenschwäche neigen. Der stern möchte schließlich
die Auflage verkaufen und nicht einstampfen. An diesen Zahlen von stern&Forsa
können sich Merkel, Schröder, Fischer, Westerwelle und Lafontaine&Gysi
laben und sich jeden Wunsch selbst erfüllen. Solche Umfrageergebnisse lassen
sich biegen bis zum Geht-nicht-mehr. Ein paar süffige Beispiele:
- Die Union schöpft bekanntlich gerne aus dem Vollen und beglückt
sich mit 44,5% am Umfrageergebnis von 39,5% bis 44,5%, was ihr die absolute
Mehrheit beschert. Denn FDP, Grüne und Lafontaine&Gysi werden mit
je 4,5% unter der 5%-Hürde versenkt, die Sonstigen besorgen das mit 4,5%
wie immer selber. Den Rest (37,5%) überlässt die Union großzügig
der SPD. Damit ist Rotgrün vom Tisch und Schröder im Vorruhstand
mit Riesterrente.
- SPD und Grüne picken sich die Rosinen im Kuchen von stern&Forsa
etwas anders heraus: Sie bedienen sich mit 37,5% bzw. 9,5% am Umfrageergebnis
und ergattern so eine komfortable Mehrheit zur Fortsetzung ihrer Wackelkontakte
bis 2010. Denn FDP und PDS werden zusammen gebunden und mit je 4,5% unter
der 5%-Hürde versenkt. Die Union wird mit 39,5% unter dem Deckel gehalten.
Der Rest wird den grauen Panthern zur Bekämpfung der Rentenreform hingeworfen.
- Ist die FDP an der Reihe, dann verwirklicht sie ihr Parteiprogramm. "Mehr
Eigenverantwortung" hat sie auf ihre Fahnen geschrieben und bedient
sich mit 8,5% am Umfrageergebnis von 3,5% - 8,5%, wie das in der freien Marktwirtschaft
zum feinen Benehmen gehört. Dann wird die Union mit 39,5% an die kurze
Leine genommen und als Steigbügelhalterin für die FDP flott gemacht.
Denn die Grünen und Lafonataine&Gysi werden mit je 4,5% an das 5%-Kreuz
geschlagen, die bunte Palette der Sonstigen besorgt das selber. So erreicht
die SPD mit 37,5% praktisch Schröders Traumziel von 38% - und ist dennoch
weg vom Fenster. Damit hat das Guidomobil freie Fahrt in eine neue Ära
von sozialer Gerechtigkeit: Der Umverteilung von unten nach oben.
- Auch das Duo Lafontaine&Gysi kann seine kühnsten Träume
in Erfüllung bringen: Die Urenkel von Karl-Marx verschaffen der ewig
neuen alten Linken mit 9,5% nicht nur den glänzenden Wiedereinzug in
den Bundestag, sondern strafen Schröders SPD mit 32,5% kräftig ab.
Um die Agenda 2010 für immer zu kippen, werden die Grünen mit 4,5%
ans 5%-Kreuz geschlagen. Damit ist Rotgrün vernichtend geschlagen und
Schröder läuft zu Gasprom über.
Dann wird der Weg zur alternativen sozialen Gerechtigkeit freigeprescht: Erst
wird die FDP mit 4,5% aus der freien Marktwirtschaft entfernt - die bunte
Palette der Sonstigen besorgt das wie immer selber -, und dann wird die Union
mit 39,5% impotent gemacht. Weil Angie und Oskar selbst mit Viagra nicht in
ein Bett zu kriegen sind, findet sich die SPD unvermittelt am Gängelband
der PDS. Vor die Alternative gestellt, bei Angie die zweite Geige zu spielen
oder selbst das Ruder zu übernehmen, verpasst der große Vorsitzende
Müntefering der SPD einen Ruck nach links und arrangiert sich mit den
Marx-Brothers Lafontaine&Gysi.