Anmerkung 1)

Nach Professor Erwin K. Scheuch setzte die CDU beim ZDF durch, daß das Politbarometer die Umfrageergebnisse (politisch) gewichtet. Die Details über den damaligen Hickhack kann man in den folgenden Artikeln nachlesen. Erwin K. Scheuch, 'Zuschauer mißverstehen das Barometer als Aussage über Wahlchancen', Handels- blatt vom 14.4.1986; 'Demoskopie', Rheinischer Merkur Extra, Nr. 37, 1987; Forschungsgruppe Wahlen im Han- delsblatt vom 28.2./1.3.1986 und 24.4.1986.
Ihren Widerstand gegen die politische Gewichtung begründete das Politbarometer im Handelsblatt vom 24.April 1986 wie folgt. "Auch für die Forschungsgruppe Wahlen ist unstrittig, daß Ergebnisse der Sonntagsfrage als tatsächliches Wahlergebnis oft sehr unrealistisch wären. Im Gegensatz zu den meisten anderen Instituten ist die Forschungsgruppe Wahlen jedoch der Auffassung, daß Umfragen gar nicht geeignet sind, Verhalten zweifelsfrei zu messen, schon gar nicht ein solches, das weit in der Zukunft liegt. Die Frage nach dem hypothetischen Wahlverhalten bei einer Bundestagswahl am nächsten Sonntag, die, wie die Befragten natürlich wissen, in Wirklichkeit gar nicht stattfindet, mißt nun kein Verhalten, sondern die augenblicklichen Stimmungen, Meinungen und Gefühle der Befragten gegenüber dem Erscheinungsbild der Parteien und der jeweiligen Spitzenpolitiker. ...
Die politisch nicht gewichteten Umfrageergebnisse drücken also die tatsächliche aktuelle politische Stimmung aus und sind nicht als Prognose eines Bundestagswahlergebnisses zu verstehen.

 

 

 

 

 

 

Anmerkung 2)

Es mag zwar sein, daß die Forschungsgruppe Wahlen es sich zweimal überlegt, ob sie in der heißen Phase eines Wahlkampfes gewisse Dinge nicht besser unterläßt. Wie z.B. der Union eine absolute Mehrheit auf den ZDF-Bildschirm zu schreiben und die FDP unter der 5%-Hürde ans Kreuz zu nageln - wie es der gemessene Volkswille im November 1986 eigentlich wollte. Denn ein jeder Säugling weiß, daß der die Brust nicht beißen soll, die ihn stillt.

 

 

 

 

 

 

Anmerkung 3)

"Vergleicht man Umfrageergebnisse mit den tatsächlichen Wahlergebnissen der Parteien bei den Bundestagswahlen, dann stellt man verblüffende Unterschiede fest" (Wolfgang Gibowski, Forschungsgruppe Wahlen im Handelsblatt 1.3.1986)

 

 

 

 

 

 

Anmerkung 4)

Frau Noelle-Neumann sieht dies anders. Sie und ihre demoskopischen Brustkinder möchten sich die Freude über einige Prognoseerfolge bei Bundestagswahlen nicht mit der Einsicht vergällen lassen, daß die goldenen Prognose-Eier nicht von ihrer Meßkunst gelegt worden sind, sondern vom dreißigjährigen Huhn der politischen Stabilität. Es ist aber das Verdienst von Frau Noelle-Neumann, als erste das Huhn mit dem Ei verwechselt zu haben. Hilfreich bei dieser Pioniertat war, daß sie ihre Demoskopie in einer Zahlenwelt betreibt, in der das Einmaleins der Statistik seine Rechte und Pflichten verwirkt hat. In ihrem Roman "Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung - unsere soziale Haut" versucht sie, Aspekte des politischen und sozialen Lebens quantitativ erfaßbar und erklärbar zu machen und auf die Gegenwartspolitik anzuwenden. Die Komik von Frau Noelle-Neumann besteht darin, daß sie dies mit einer Elle aus Gummi (ihrem ,repräsentativen' Querschnitt) versucht und dabei unter der Vorstellung leidet, sie könne damit Millimeterbruchteile messen, als hätte sie eine Mikrometerschraube. Die Tragik von Frau Noelle-Neumann liegt darin, daß sie trotz der Unzulänglichkeit, ja Lächerlichkeit ihrer Meßmethoden die Dinge manchmal richtig sieht. Diese Mischung von Komik und Tragik zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Schweigespirale.