Die neueste Emnid-Umfrage - richtig gelesen!

Der Nachrichtensender n-tv hat am 1. Mai 2003 Umfrageergebnisse von Emnid zur Sonntagsfrage veröffentlicht. Aus Kosten- und Zeitgründen kann nur ein winziger Bruchteil aller 60 Millionen Wahlberechtigten befragt werden. Emnid hat diesmal 2307 Wahlberechtigte befragt, deren Telefonnummern ausgelost wurden. Das Umfrageergebnis lautete

Union 46%, SPD 29%, Grüne 11%, FDP 7%, PDS 5%

Offensichtlich ist es nicht repräsentativ für alle Wahlberechtigten, denn es hängt es davon ab, welche 2307 Wahlberechtigte ausgelost wurden. Verschiedene Auslosungen führen zu verschiedenen Ergebnissen. Für jede Partei gibt es deshalb nicht eine Prozentzahl, sondern ein ganzes Band von möglichen Prozentzahlen. Welche Prozentzahl die richtige ist, läßt sich nicht feststellen. Für die Beurteilung des Informationswertes einer Umfrage ist es daher unerläßlich, diese Bandbreite für jede Partei zu kennen. Dies läßt sich mit Hilfe einer Computersimulation erreichen. Das Umfrageergebnis lautet dann nicht, wie in n-tv kolportiert, sondern

CDU/CSU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
43 - 49 26 - 32 9,5 - 12,5 5,5 - 8,5 3,5 - 6,5

(Berechnungsgrundlage: Wahlbeteiligung 80% und die Prognose soll mit einer Wahrscheinllichkeit von 95% richtig sein. Die weit größeren Fehlerquellen - wie z.B. falsche Angaben, Antwortverweigerung, erfolglose Kontaktversuche usw. - sind dabei nicht berücksichtigt.)

Die Umfrageergebnisse werden nicht von einem unbekannten n-tv-Soldaten verlesen, der noch nie etwas von Lotterieschäden bei Umfrageergebnissen gehört hat, sondern von Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner persönlich vorgetragen. Die mit viel Brimborium präsentierten Zahlen werden von ihm als getreues Abbild der Realität dargestellt, als hätte er persönlich mit der schweigenden Mehrheit der Wahlberechitgten gesprochen. Daß die Zahlen so gut wie nichts besagen, hat sich Emnid notariell bestätigen lassen Ein Notar zu Bielefeld wurde von Emnid beauftragt, die folgende Prognose

CDU SPD Bündnis90/Grüne FDP
42,3 - 49,2 32,9 - 41,1 5,8 - 10,2 5,8 - 10,2

für die Bundestagswahl 1987 zu beglaubigen - einen Tag vor der Wahl. Aber selbst diese vagen Zahlen seien nicht 100% sicher, sondern nur zu 90%, wie Emnid dem Notar anvertraute!

Hätte Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner diese Fehlertoleranz auch den n-tv-Zuschauern offenbart, dann hätte seine Prognose für den Bund vom 25. April 2003 wie folgt gelautet:

CDU SPD Bündnis90/Grüne FDP PDS
42,5 - 49,4 24,9 - 33,1 8,8 - 13,2 4,8 - 9,2 2,8 - 7,2

Als Lachnummer wäre das ein Riesenerfolg, aber als Umfrageergebnis ungenießbar: Denn das läßt die Möglichkeit offen, daß FDP und PDS an der 5%-Grenze scheitern und Rotgrün stärker ist als die Union. Mit dem Eingständnis von solchen Bandbreiten bzw. Lotterieschäden würde Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner die Einschaltquote Null einfahren. Weil das nicht Sinne von Emnid ist, wird offenbar vorgezogen, dieses Geheimnis nur mit dem wehrlosen Notar zu teilen.


Technische Information:

Die in der gelben Tabelle angegeben Fehler, die durch die Zufallsauswahl der befragten Wahlberechtigten verursacht werden, kann man auch als Laie mit Hilfe der Mißerfolgs-Statistik von Umfragen verifizieren. Man gibt in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die von Emnid angeführten Parteistärken

CDU/CSU 46, SPD 29, FDP 7, Grüne 11 und PDS 5 Prozent

ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 2307 an - soviele Wahlberechtigte wurden befragt - und setzt für die Wahlbeteiligung die üblichen 80% ein. Für die Anzahl der Umfragen (Auslosungen) wähle man zunächst 1000 - bei größeren Zahlen kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit "LOS" wird die Simulation gestartet. In der untersten Tabellenzeile der "Mißerfolgsstatistik" kann man das Resultat der Simulation ablesen. Es zeigt sich, daß etwa

15% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 1% für die großen Parteien und +/- 0,5% für die kleinen einhalten

69% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 2% für die großen Parteien und +/- 1% für die kleinen n einhalten

94,5% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für die großen Parteien und +/- 1,5% für die kleinen einhalten

Genauere Resultate kann man der untern angeführten Tabelle entnehmen. Man sieht, daß etwa 95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für große Parteien und +/- 1,5% für kleinen einzuhalten vermögen. Aber 5% der Umfragen (Auslosungen) schaffen nicht einmal das. Mit andern Worten, in jeder zwanzigsten Umfrage (Auslosung) übersteigt der Fehler für eine große Partei +/- 3% oder für eine kleine Partei +/- 1,5%



Scherzfrage: Wie viele von 100 Umfragen schaffen es, die von Emnid vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 46, SPD 29, FDP 7, Grüne 11 und PDS 5 Prozent)
zu treffen?

Scherzfrage: Wie viele von 10000 Umfragen schaffen es, die von Emnid vermarkteten Parteistärken (CDU/CSU 46, SPD 29, FDP 7, Grüne 11 und PDS 5 Prozent) zu treffen?


Maximale Abweichung
eingehalten von
für große Parteien für kleine Parteien (in Prozent von 100000 Umfragen)
1,0% 0,5% 15%
1,2% 0,6% 25%
1,4% 0,7% 36%
1,6% 0,8% 48%
1,8% 0,9% 59%
2,0% 1,0% 69%
2,2% 1,1% 77%
2,4% 1,2% 83%
2,6% 1,3% 88%
2,8% 1,4% 92%
3,0% 1,5% 95%
3,2% 1,6% 96%
3,4% 1,7% 98%
3,6% 1,8% 99%
>3,6% >1,8% 1%
Grundlage der Simulation: 100000 Wiederholungen, Parteistärken laut Emnid, ebenso Stichprobenumfang (2307) und Wahlbeteiligung (80%).