Ein Blick hinter die Kulissen der Prozentzahlen-Schmiede gfs.bernStalin, Schweizer Fernsehen und ein Bubentraum Stalin hat einmal gesagt: "Genossen, es ist nicht wichtig, wie das Volk wählt, es ist wichtig, wer die Stimmen zählt." Das Schweizerische Fernsehen (SF) sieht das genau so. Bei den von ihm in Auftrag gegebenen Probe-Abstimmungen vor Urnengängen zieht Claude Longchamp als gestandener Zählmeister die Strippen. Qualifiziert für dieses hohe Amt ist er durch einen Bubentraum, den er in der Autobiographie "Ich stelle mich vor" zum besten gibt: "Als Junge wollte ich auf den Mond fliegen und habe deshalb das Studium der Physik und Mathematik erwogen. Ich liess es aber sein und wählte 1977 Geschichte zu meinem Studienfach ....". Später konvertierte er zur Demoskopie. Er wurde Kommandant und Mehrheits-Aktionär der Prozentzahlen-Schmiede gfs.bern. Auf diese gerade Weise wurde er zum festinstallierten SF-Zählmeister. Nachkontrolle & Leistungsbilanz Anders als bei Stalin wird in der Schweiz nachgezählt, was Claude Longchamp sauer aufstösst. Denn die Differenzen zwischen Probe-Abstimmungen (alias Meinungsumfragen) und Abstimmungsresultaten sind augenfällig, zuletzt bei der AHV-Abstimmung über ein vorgezogenes Rentenalter ohne finanzielle Einbusse. Zehn Tage vor dem Urnengang hatte er ein Kopf-an-Kopf-Rennen ausgerufen, aber das Volk schickte die Vorlage mit 59% zu 41% bachab. Bei der Abstimmung über einen neuen Gesundheitsartikel tippte er auf 39% Ja und 45% Nein, das Volk aber kippte die Vorlage mit fast 70% zu 30%. Bei der Unternehmenssteuer-Reform tippte er auf 46% Ja und 31% Nein, stattdessen gab es eine Zitterpartie mit 49.5% Nein. Er tröstet sich damit, dass Umfragen keine Prognosen seien, sondern Momentaufnahmen vor dem Urnengang. Wenn diese nicht bestätigt würden, dann habe eben noch schnell ein Meinungsumschwung stattgefunden .... Bei den Nationalratswahlen 2007 kam die SVP auf 29% anstatt 27,3% wie von ihm vorausgesagt, die SP auf 19,5% anstatt 21,7%. Hätte er seinen Bubentraum verwirklicht und eine Anfänger-Vorlesung in Statistik besucht - und auch verstanden -, dann würde er sich heute mit Fehlern von nur +1,7% bzw. -2,2% wunschlos glücklich schätzen. Stattdessen begründete er diese "gewaltigen" Abweichungen mit politischen Ereignissen - den Krawallen in Bern zwei Wochen vor der Wahl. Dabei verursacht allein die Auswahl der Befragten Abweichungen bis zu +/- 4.5%! Diese werden nicht repräsentativ ausgewählt, wie mit dem Etikettenschwindel Repräsentativumfrage suggeriert wird, sondern per Lotterie. Es werden solange Telefonnummern ausgelost und angerufen bis man 1200 auskunftswillige Stimmberechtigte bei Abstimmungen zusammen getrommelt hat (bzw. 2000 bei Wahlen). Mit einer Nachwahl-Befragung versuchte er zu beweisen, dass als Folge der Krawalle der SVP-Anteil auf über 30% hoch geschnellt sei. Nimmt man seine Zahlen für bare Münze, dann beweisen seine Grafiken 21 und 19 exakt das Gegenteil: Vor den Krawallen kam die SVP auf 29,8%, nachher auf 28,1%! Der grosse Zampano Für die Wahlen 2007 haben das SF und Longchamp die classe politique und die Medien zum Aberglauben erzogen, man könne mit Umfragen den Trend der Parteistärken auf Promille genau messen. Deren Auf und Ab "erklärt" er mit politischen Ereignissen. Dass ihm die Auslosung von Telefonnummern regelmässig (Pseudo)Trends beschert, die zumindest für eine Partei ein politisches Erdbeben vortäuschen, ignoriert er standhaft. Im SF-Wahlbarometer führt der grosse Zampano ungeschoren seine demoskopischen Kunststücke vor: Auf einer Sonnenuhr liest er Sekundenbruchteile ab. Übrigens "auf ausdrücklichen Wunsch des SF", wie er im Umfragebericht (2006) beichtete (S. 8, 2. Abschnitt). Im Wahlbarometer 2005 (S. 20) hatte er sich noch auf die Fahnen geschrieben: Achtung! Keine Angaben zu Parteistärken in Promillen. Quantitative Vergleiche zu den Veränderungen der Parteistärken auf Promilleebene sind unzulässig. |
Was das SF dem Zuschauer vorgaukelt Das SF verkündete: " Die
Gegner holen laut SRG-Umfrage auf!". .... "Noch
Ende Dezember hätten 49% Ja oder eher Ja gesagt, nun sind es
50%. Nein oder eher Nein sagten im Dezember noch 40%, heute sind es
43%. Die Zahl der Unentschlossenen ist von 11% auf 7% gesunken".
Das ist Augenwischerei. Denn unter der Grafik wird mikroskopisch klein
ein Fehlerbereich von +/- 3% eingeräumt, der allein durch der
Zufallsauswahl der Befragten verursacht wird (Andere Fehlerquellen
sind nicht berücksichtigt). Folglich lag der Nein-Anteil im Dezember
nicht bei 40%, sondern irgendwo zwischen 37% und 43%, und im Januar
nicht bei 43%, sondern zwischen 40% und 46%, je nach dem welche Stimmberechtigten
ausgelost und befragt wurden. Wären andere Telefonnummern ausgelost
worden, hätten die Gegner möglicherweise nicht aufgeholt,
sondern verloren, z.B. von 43% auf 40%. Genau so ist es offen, ob
die Befürworter bzw. die Unentschlossenen zu- oder abgenommen
haben. Die tatsächlichen ErgebnisseQuelle: Fotomontage von A. Maksyagin der Ergebnisse
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Achlliesferse von Umfragen:
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